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Die Schweiz ist kein neutrales Land mehr

Cassis und Co. haben es gut gemeint, aber nichts Gutes bewirkt. Zuerst der Neutralitätsbruch, dann in den UNO-Sicherheitsrat – der Bundesrat hat die Orientierung verloren.

Die Schweiz ist kein neutrales Land mehr. Das sage nicht nur ich und die SVP, sondern Politiker von Moskau bis nach Washington. Nachdem der Bundesrat entschied, sämtliche EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, setzte der Kreml die Schweiz auf eine Liste «unfreundlicher Staaten». US-Präsident Biden erwähnte die Schweiz explizit und lobend. Bekannte Komiker in den USA machten sich lustig über die Schweiz. Bei Hitler waren sie neutral, bei Putin nicht, lautet der Grundton.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine diskutieren wir in der Schweiz wieder über unsere Neutralität. Der Bundesrat meint, er könne sich an Wirtschaftssanktionen beteiligen und gleichzeitig neutral bleiben. Bundespräsident Ignazio Cassis meint, er könne sich mit seinem Auftritt auf dem Bundesplatz auf die Seite der Ukraine mit ihrem Präsidenten Selenski schlagen und gleichzeitig neutral bleiben. Neutralität darf nicht eine Haltung sein, die unser Gewissen beruhigt. Neutralität definiert sich dadurch, wie die Kriegsparteien unser Verhalten wahrnehmen.

Ich verurteile die Invasion Russlands, den eklatanten Bruch mit dem Völkerrecht. Ich verabscheue den Krieg und die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. Mir geht es wie Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ich fühle mich ohnmächtig, wenn ich in den Nachrichten die grauenvollen Bilder sehe. Als Bürger dürfen und sollen wir unsere Gefühle öffentlich kundtun. Und selbstverständlich dürfen auch Bundesräte Gefühle haben. Aber je heisser ein Konflikt, desto kühler muss die Landesregierung abwägen. Im Mittelpunkt ihrer Politik müssen allein die Interessen der Schweiz stehen, nicht die Befindlichkeiten und die Betroffenheit einzelner Regierungsmitglieder.

Anlässlich der Ausserordentlichen Session zur Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat wedelte Bundespräsident Cassis mit einer Broschüre im Ratssaal herum. Diese trug den apodiktischen Titel «Die Neutralität der Schweiz». Dazu führte der Magistrat aus, dass Diplomaten im Moment wieder in der ganzen Welt herumreisen, um zu erklären, was die Neutralität der Schweiz bedeute. In der Broschüre ist zu lesen, dass die «unparteiische» Schweiz Brücken bauen kann, wo andere blockiert sind. Im gleichen Dokument seht auch wörtlich: «Neutralität bedeutet nicht Unparteilichkeit». So etwas versteht man auch mit einer Erklärung nicht.

Wenn ein neutrales Land eine Broschüre drucken lassen muss, um seine Neutralität zu «erklären», dann hat es diese schon längst aufgegeben. Die Schweizer Neutralitätspolitik kennt keine Bedienungsanleitung. Während der Kriege und Krisen in den letzten zweihundert Jahren musste sie immer wieder neu interpretiert, angepasst und ausgelegt werden. Mit seinem völlig überhasteten Vorgehen der letzten Wochen hat der Bundesrat den Interessen der Schweiz aber nachhaltig geschadet. Die chronische Angst in Bern, auf der falschen Seite zu stehen, wird man auch in Brüssel notiert haben. Im vorauseilenden Gehorsam bei der Übernahme der Sanktionen zeigt sich die Schwäche des Bundesrats, welche die EU bestärkt, uns weiterhin an der kurzen Leine halten zu können.

Gleichzeitig haben wir unseren einzigen Trumpf leichtfertig aus den Händen gegeben. Die Guten Dienste der Schweiz sind nicht mehr gefragt. Die Glaubwürdigkeit unserer Vermittlerrolle ist dahin. Sie wäre unser einziges Mittel gewesen, einen konkreten Beitrag zu einer Konfliktlösung oder wenigstens zu einer Entschleunigung der Gewalt beitragen zu können. Eine gute Neutralitätspolitik misst sich nicht an moralischen Kriterien, sondern allein an den Resultaten. Cassis und Co. haben es gut gemeint, aber nichts Gutes bewirkt.

Mit dieser kopflosen Aussenpolitik will die Schweiz Mitglied im UNO-Sicherheitsrat werden. Nur die SVP hatte sich in der Frühlingssession dagegen gewehrt, vergeblich. Die Schweiz wird zwei Jahre lang in einem undemokratischen Gremium vertreten sein, bei dem die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges ein Vetorecht haben. Sie erhofft sich dadurch mehr Einfluss und glaubt, dass sie auch Grossmächte wie die USA oder Russland besänftigen kann. Der Bundesrat will im UNO-Sicherheitsrat Weltpolitik machen, obwohl er die Neutralität und die eigene Orientierung verloren hat.

Nationalrat Michael Graber

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